FORSCHUNG & ZÜCHTUNG

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Züchtungsforschung

Die heutigen Zuchtziele und Züchtungsmethoden in der konventionellen Landwirtschaft entsprechen immer weniger den Idealen und äußeren Anforderungen des ökologischen Landbaus. Deshalb ist es dringend notwendig, eine eigene Züchtung aufzubauen und dafür eigene Züchtungsmethoden und Qualitätskriterien zu entwickeln. Zu diesem Zweck hat sich die Arbeitsgemeinschaft biologisch-dynamischer Getreidezüchter gebildet.

 

Entwicklung standortangepasster Winterweizensorten

Unser Hauptanliegen ist die Entwicklung standortangepasster Winterweizen- und Roggensorten für die Region Bodensee und Standorte mit ähnlichen Bedingungen. Hierbei nutzen wir die Entwicklungspotenziale und die Formenvielfalt, die sich bildet, wenn biologisch-dynamische Hofsorten viele Jahre gepflegt werden. Durch Auslese einzelner Ähren im reifen Feld entstehen neue Zuchtlinien, die über mehrere Jahre geprüft und in der Regel nachselektiert werden müssen. Mittlerweile sind daraus Sorten entstanden, die in der Bodenseeregion angebaut werden (Regionalsortenprojekt).

Bei diesen Sorten ist noch nicht die Einheitlichkeit erreicht worden, die für den Sortenschutz bzw. für die Sortenzulassung beim Bundessortenamt nötig wäre. Dies ist aber auch ein Vorteil. Die Sorte ist nicht exakt festgelegt, sondern ist noch beweglich und kann weiter verbessert werden. - Diese so genannte in-situ-Erhaltung pflanzengenetischer Ressourcen wurde 1996 bei der FAO-Konferenz in Leipzig als eine zukunftsweisende und nachhaltige Methode zur Erhaltung der biologischen Vielfalt propagiert. Inzwischen ist es möglich, solche Sorten als „Erhaltungssorten“ unter einfacheren Bedingungen zuzulassen. Diese Neureglung im Saatgutverkehrsgesetz lässt im Vergleich zu der sonst geforderten Homogenität der Sorten einen gewissen Spielraum zu, so dass nach dem Prinzip der in-situ-Erhaltung oder on-farm-Erhaltung auch eine Weiterentwicklung unter den natürlichen Bedingungen des Kulturstandortes stattfinden kann (siehe dazu Publikationen: B. Heyden 2005; B. Heyden und E. Lammerts van Bueren 2000).

Unsere Regionalsorten Hermion (bisher: Hermes), Karneol, Goldritter (bisher: Ritter) und Alauda sind seit September 2013 als Erhaltungssorten anerkannt worden. Zwei weitere Sorten, Kamperan und Triptolemo, wurden 2016 registriert.

 

Wildgetreide

Wildgetreide Dasypyrum villosum:

Ein weiterer Forschungs- und Züchtungsimpuls ist die „Wildgrasveredelung“, d.h. der Versuch, Gräser in Kultur zu nehmen und durch Selektion an die Kulturbedingungen anzupassen. Dies geht auf eine Anregung R. Steiners zurück, der die Nahrungsqualität der heutigen Kulturpflanzen gefährdet sah (U.Mos: Die Wildgrasveredlung – Rudolf Steiners Impuls in der Pflanzenzucht, 2.Auflage 2022). Wir befassen uns deshalb mit dem „Wildgetreide“ Dasypyrum villosum, einem Gras aus Südeuropa, das botanisch zwischen Roggen und Weizen einzuordnen ist (Mitteilungen Keyserlingk-Institut, Hefte Nr.17 (2002), Nr.20 (2006), Nr.22 (2008), Nr.23 (2010) und Nr.25 (2013)).

Das Korn ist zum Backen bestens geeignet und die Nahrungsqualität - auch im Sinne der Bildekräfteforschung - ist hervorragend. Angestrebt wird deshalb die Zulassung als neuartiges Lebensmittel entsprechend der Novel-Food-Verordnung. Um Anbau und Nutzung dieser Pflanze zu fördern, wurde 2022 ein neuer Verein gegründet.
 

Linsen

Um die Wirtschaftlichkeit des hiesigen Linsenanbaus zu fördern, werden am Keyserlingk-Institut Sorten entwickelt, die sowohl in Ihrer Anbaueignung, wie in ihren qualitativen Merkmalen geeignet sind, sich am entsprechenden Nischenmarkt zu behaupten. Verbesserungen hinsichtlich agronomischer Merkmale sollen erreicht werden, doch auch auf Lebens-mittelqualität, wie Koch- und Geschmackseigenschaften, wird geachtet.

Das Keyserlingk-Institut arbeitet zurzeit an der Prüfung und Weiterentwicklung der Sorten, die innerhalb der Erzeuger-gemeinschaft Alb-Leisa angebaut werden. Da aber auch Sorten entwickelt werden sollen, die sich für den Anbau am Bodensee (und evtl. in anderen Regionen Mitteleuropas) eignen, werden auch Genbankherkünfte und Feinschmecker-sorten aus den Höhenlagen Südeuropas geprüft und ggf. auf die hiesigen Anbaubedingungen hin selektiert.


Botanische Grundlagen

Beste Nahrungsqualität ist ein vorrangiges Ziel biologisch-dynamischer Züchtung. Wir fragen deshalb nach den Kräften, die im Wachstum einer Pflanze zur Wirkung kommen und in der Gestaltbildung abgelesen werden können. Diese Bildekräfte in der Sphäre des Lebendigen* stehen dem Menschen in verwandelter Form in der Ernährung wieder zur Verfügung. Wachstumsprozesse und Gestalt der Pflanze sind deshalb nicht gleichgültig für die Qualität der Nahrung.

 

Goetheanistische Botanik

Diese Kräfte im Lebendigen qualitativ zu beschreiben und zu bewerten ist Aufgabe der goetheanistischen Naturwissenschaft. Diese auf Goethe (1749 – 1832) gegründete Wissenschaftsmethode sucht einen Weg, das Leben selber seinem Wesen nach zu erfassen – und nicht nur auf chemisch-physikalische Vorgänge zu reduzieren. Durch die erkenntnistheoretischen Arbeiten R. Steiners wurde der Goetheanismus** neu begründet (siehe z.B. Grundlinien einer Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung, oder: Einleitungen zu Goethes Naturwissenschaftlichen Schriften (1884 – 1897)).

 

Wesentliche Gestaltmerkmale beim Getreide sind die Bestockung, das Schossen und die Grannenbildung. Es wurde versucht, diese Bildungen im Wachstum der Getreidepflanze auf Grundlage der Goetheanistischen Botanik verständlich zu machen und qualitativ zu beschreiben (siehe hierzu die Beiträge von B. Heyden 1997, 2001, 2006,  2007 und 2013 in den „Mitteilungen aus der Arbeit“ des Keyserlingk-Instituts). Eine Besonderheit bei Gräsern und Getreide ist auch die Fähigkeit, die Kieselsäure bis in Blätter, Spelzen und Grannen heraufzutragen und in den Kieselzellen wieder abzulagern (siehe B.Heyden: Grannenprobus PGR (2003), und: Das Grannenprojekt (2007)).

 

*  In der Anthroposophie wird das Leben als ein eigener Bereich der Wirklichkeit beschrieben, der unabhängig von der physischen Welt und ihren Gesetzen existiert, mit den gewöhnlichen Sinnen aber nicht wahrnehmbar ist. Die Kräfte und Gesetzmäßigkeiten dieser sogenannten „ätherischen“ Welt können unmittelbar nur mit einem erweiterten, übersinnlichen Bewusstsein beobachtet und erforscht werden. Mittelbar kann versucht werden, mit Hilfe der Goetheanistischen Naturwissenschaft in diesen Bereich vorzudringen.

**  Weitere Hinweise zur Arbeitsweise in der goetheanistischen Naturwissenschaft sind zu finden auf der Website der Naturwissenschaftlichen Sektion am Goetheanum. Dort findet man auch eine Bibliographie der goetheanistischen Literatur.

Seminare und andere Veranstaltungen

auf Grundlage der goetheanistischen Naturwissenschaft

finden Sie auf der BELLIS-Homepage auf den Seiten Seminare, Termine oder Links